DIE MOTTEN ZUM LICHT
engl. title: THE MOTHS TO THE LIGHT
filmische Reise, 2005, color, 18:00 min

Film ansehen     PDF speichern    Bilder
 
vorab:

1. wir nehmen mit unseren sinnen nur einen winzigen teil der welt um uns herum wahr.

2. wir sehen nur unsere eigenen interpretationen, die querverweise unserer eigenen erfahrungen.

3. wir haben ein auf unseren alltag abgestimmtes zeitempfinden und besitzen kein gespühr für vorgänge, die in anderen zeitdimensionen verlaufen.

4. als menschen unter menschen sind wir von scheinbar menschlichen zügen anderer lebewesen überrascht.

5. durch unsere seherfahrungen, die heute sehr stark durch massenmedien beeinflußt sind, ordnen wir die welt in unser erfahrungssystem ein.

6. es gibt eine energie (naturschönheit, liebe, bestimmte klänge), die, wenn wir sie erfahren, unsere sinne umfängt und unser bewußtes denken ausschaltet.

Der Film die "Motten zum Licht" ist nach diesen Punkten aufgebaut.

Der Film beginnt.
Wir sehen eine wild umherschwenkende Kamera. Im Ton ist nur ein unverstaendliches Stimmengewirr zu hoeren. das Gesamtbild der Szene ist noch voellig unklar. Immer wieder bleibt die Kamera fuer ein Einzelbild auf einem Detail stehen. Langsam setzt sich eine Idee des Raumes, der Region zusammen. Der Zuschauer beginnt sich zu orientieren. Im Ton wird langsam eine bekannte westliche Musikrichtung lauter, auch wenn die Sprache immer noch unbekannt ist, es ist Hiphop. Mongolischer HipHop. Das Bild schwenkt hoch und bleibt auf dem ersten totalen Frame stehen. Jetzt koennen wir uns orientieren, wissen wo oben, wo unten, was Vorder- und Hintergrund der Szenerie ist. Unsere Vermutungen werden enttaeuscht oder bestaetigt. Die Kulisse ist jetzt festgelegt. Ein Bild aus einer mindestens durch bisherige Fernsehdokumentationen bekannten Realitaet. Es ist eine Marktszene irgendwo im fernen Norden Asiens, genauer gesagt in der Mongolai, dem am duennsten besiedelten Land der Erde.
Ein alter Mongole, dem anzusehen ist, das er schon eine Menge Jahre hinter sich hat und die Sonne sein Gesicht in eine Landschaft aus tiefen Furchen verwandelt hat. Er verkoerpert die Wuerde des Alters. In ihm liegt die Weisheit und Erfahrung eines ganzen Lebens. Er zeigt in eine Richtung. Weiss dieser Mann von einem uns unbekannten Weg?
"Die Motten Zum Licht", der Titel des Filmes erscheint in lateinischer Schrift.
Es folgt das Bild eines Jungen. Er steht am Anfang seines Lebens. Er wirkt unbekuemmert, lacht und versucht spielerisch, vor der Kamera davon zu laufen. Er steht fuer das Kind in uns allen und die Motten, die von einem Gefuehl, Instinkt getrieben sind.
Die moderne Welt. Eine riesigen Satellitenschuessel dominiert das Bild, daneben eine Jurte. Der technischer Fortschritt dringt selbst in entlegenste Regionen der Welt. Auch irgendwo in der Pampa in einem Land wie der Mongolai ist die Medialisierung des Alltags nicht zu stoppen.
Wir verlassen die Welt des Menschen, schwenken von den Viehhirten weg, der seine Yaks mit einem Motorrad treibt, und verfolgen einen Grashuepfer. Wir landen in einer Mikrowelt mit einer ganz eigenen Aesthetik. Es ist eine Welt aus Pflanzen und Graesern, eine unbekannte Welt, deren Regeln wir nicht kennen und verstehen. Eine fruchtbare Welt. Samen werden von Wind geruettelt, von dem sie jederzeit weggeweht werden koennen zu sehen.
Verschiedene Welten folgen.
Durch uebertriebene Parameter der Kamera, wie Unschaerfe, Ueber- und Unterbelichtung wird aus einem "gewoehnlichen" Ort, den jeder kennt oder als bekannt einordnen wuerde, eine magische Welt.
Unser Wahrnehmungsaparat ist subjektiv und muss sich erst an eine neue Sichtweise gewoehnen.
Das Leninmuseum. Eine andere Welt. In einer Halle stehen unter einem riesigen Leninkopf Billardtische. Polizisten spielen Pool in Uniform. Ein eigenartiger Mix aus kommunistischer Symbolik und westlichen Vergnuegen. Ein Mongole scheint aus den 20iger Jahren zu stammen. Unmerklich wird die Realitaet veraendert, der Raum gespiegelt. Durch Zeitverschiebungen, -verzerrungen, -umkehrung wird anschliessend die eigene Wahrnehmung und Zeit in Frage gestellt.
Weitere absurde Situationen und Orte wie ein ehemaliges Theather, das jetzt ein Parkhaus ist, ein Wachmann, der an einem Naehmaschinentisch isst, ein verlassenes Las Vegas mit hunderten von ungenutzten Spielautomaten, eine Fahne Nordlicht mit kosmischen Ausmassen von zig Kilometern zeigt den Fluss einer allgegenwaertigen Energie.
Eine ueberflutete Bar mit schlafender Kellnerin. Und wieder wird die Wahrnehmung manipuliert, Zeit verlangsamt und beschleunigt, bis Luft sich verhaelt wie Wasser. Wolken schwappen in einem Tal hin und her. Ein Berg liegt wie eine Insel in einem Meer aus Wolken.
Blick unter die Wolkendecke. Wir treffen auf die Tierwelt in menschlicher Dimension. Wir stehen Auge in Auge mit einem Pferd und und anderen Tierenarten. Jede eine Spezies fuer sich. Bei den Pferden erkennen wir Gesichtszuege, die wir mit menschlichen Gefuehlen interpretieren koennen, je ferner die Spezien dem Saeugetier werden, desto fremder sind sie auch unserer Gefuehlswelt.
Jetzt die Miniaturwelt einer Fliege, ein Kameraflug aus ihrer Sicht erinnert durch die untersichtige Perspektive zu einer Simulation von 3D-Landschaft und Computersimulatinen. Das Auftauchen von Musik aus dem Starwarsepos zu einem Element, das wir sofort mit der bekannten Illusion aus dem Kino assozieren. In gleicher Manier stehen sich jetzt zwei Verkehrspolizisten mit Leuchtschwertern gegenueber, die an Jedi-Ritter mit ihren Laserschwertern erinnern. Was war zuerst da? Die Phantasie oder die Realitaet? Ein insektenhafter Roboter mit Laserauge. Wir folgen einer raeuberische Ameise mit grossem Stueck Nahrung in den Kiefern finden uns ploetzlich in der Anfangsszene vom mongolischen Markttreiben wieder. Die Ameise, ein Detail, das uns am Anfang des Filmes in der Hektik der Sequenz nicht aufgefallen ist, oder uns gar nicht gezeigt wurde?
Dunkel, eine Zitter wird gestimmt.
Ein schimmernder Shamanenaehnlicher Mann ist undeutlich zu erkennen. Eine treibende Melodie beginnt. In diesem Moment fuellt sich das Bild mit Insekten, die den Mann umschwirren. Er beginnt zu singen. Seine Stimme treibt dabei zwischen den sehr tiefenden knarrenden und hohen, floetenaehnlichen Toenen des Kehlkopfgesanges. Er sind vom Helden Tschingis Khan, der vor langer Zeit mit seinen Reitern auch diese Region erobert und aufgebaut hat. Wir sehen kurz das Gesicht des Jungen vom Anfang, hoeren noch einmal unmerklich sein Lachen. Dann ist das Bild nur noch mit Motten gefuellt, die jede fuer sich immer wieder umkehrt, um spaeter wieder nach oben zu fliegen.
Die Schlusszene wird zu einem Gleichnis des Zuschauers, der wie die Motten dem Licht einer Laterne der Illusion des Filmes erliegen und auch in ihrem Leben die meisste Zielen hinterherjagen, die sie selbst in ihren Koepfen erschaffen haben.