Parallaxe #2 (Bach), Installation im Shanghai Museum for Science and Technology, China, Oktober 2008 |
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PARALLAXE Serie aus vier Panoramavideos, Illusionslandschaften Matthias Fritsch 2008 Sounddesign von Bianca Oswald und Matthias Fritsch Produktion durch Matthias Fritsch und ZKM | Institut für Bildmedien, Karlsruhe DOKUMENTATIONSVIDEO PRESSE BILDER TECHNISCHER RIDER (Englisch) |
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Installations Ansicht Parallaxe #2 (Bach) Vorschau (Quicktime): 360 Grad und Totale Videostill (8605 x 1040 pixel) |
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Parallaxe und die Aufhebung des Naturschönen |
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Viel ist über die Frage des Ästhetischen und des Geschmacks spekuliert worden. Der so genannte „ästhetische Zustand" galt lange Zeit als Kriterium der Kunst, bevor er als Zeichen der sozialen Distinktion diskreditiert wurde. Aber unabhängig von der kulturellen und gesellschaftlichen Herkunft verschiedener Menschen, unabhängig davon, wie und aus welchen Gründen sie sich durch ihren Geschmack distinguieren und identifizieren, sind die meisten Menschen immer noch ergriffen, wenn sie etwas wirklich „schön" oder „erhaben" finden. Im Zusammenhang mit den Vokabeln des Schönen und Erhabenen unterschied man aber auch zwischen Natur- und Kunstschönem. Während die Natur ohne Absicht Orte und Dinge produzierte, die man als Betrachter schön oder erhaben finden konnte, verstand man unter dem Kunstschönen künstlich hergestellte Objekte der ästhetischen Erfahrung. Die Produzenten dieser ästhetischen Gegenstände wurden als Genies angesehen und das Schöne und Erhabene wurde zum Kriterium der Kunst. Die Künste wurden zur schönen Kunst, zur Kunst der Generierung eines „ästhetischen Zustands." Heute beobachtet man sowohl in der Kunst als auch in der Theorie eine Rückkehr des Ästhetischen. Unterschiedliche Künstler wie z.B. Anri Sala, Isaac Julien oder Olafur Eliassons arbeiten an einer Rückkehr des Ästhetischen. Auf theoretischer Ebene forciert vor allem Jacques Rancières Plädoyer für den „Zustand des Ästhetischen" erneut eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen. Was aber diese Vokabeln überhaupt erst in den Diskurs der Kunst zurückgebracht zu haben scheint, ist die Technik. Es sind die hoch entwickelten technischen Möglichkeiten der Abbildung, der Bildgenerierung aber auch der Konstruktion von künstlichen Orten der Betrachtung, die – wie beispielsweise in der Arbeit „Parallaxe" von Matthias Fritsch – die Momente des Naturschönen und Erhabenen dorthin bringen, wohin sie ursprünglich nicht gehören. Die Abbildungen des Naturschönen erscheinen hier im Museum. Wie früher in der Landschaftsmalerei werden die verschiedenen Orte des Naturschönen auch hier in einem Panorama abgebildet, das den Betrachter von allen Seiten umfasst. Die Natur wird hier aber „reiner" abgebildet als es die Landschaftsmalerei oder Fotografie je konnte. An der Fließgeschwindigkeit des Flusses, an der Bewegung der Bäume wird die Zeit sichtbar, die in der Malerei und Fotografie immer schon zu einer stehenden Größe gerinnt. Zudem wird die Natur nicht nur abgebildet, sondern so manipuliert, dass der Betrachter nicht nur auf Fragen der |
Ordnung von Zeit und Raum stößt, sondern ständig mit der Rolle seiner eigenen Perspektive in der Konstruktion von Wirklichkeit konfrontiert wird. Insofern heißt Bildbearbeitung bzw. -generierung hier auch nicht Symbolisierung. Es werden nicht wie in der Naturmalerei der Romantik bedeutungsvolle Symbole zum Sujet des Naturschönen hinzuaddiert. Die Bildgenerierung ändert hier nichts an der inhaltlichen Leere im dargestellten Naturschönen selbst, das immer schon leer war und darum erst Objekt eines „interesselosen Wohlgefallens" und so Anregung eines ästhetischen Denkens werden konnte. Nur deshalb, nur aufgrund des „leeren Schönen", wird in der Arbeit „Parallaxe" nicht nur der Betrachter und seine Beobachterposition thematisiert, sondern auch die Frage der Darstellung des Naturschönen selbst, d.h. der Ort der Darstellung. Zuletzt haben die Abbildungen von natürlichen und unberührten Orten des Naturschönen und Erhabenen nur das Begehren vieler Menschen geweckt, viele Kilometer zurückzulegen um diese Orte in ihrer Ursprünglichkeit zu besuchen. So haben sowohl die kommerzielle als auch die alternative Tourismusindustrie mit dem verführerischen Versprechen, die begehrten und unberührten Orte zugänglich zu machen, den Menschen – und gerade den alternativen Menschen, d.h. die so genannten Backpackers – zum globalen Zirkulieren gebracht. Unabhängig davon ob man die Vokabel des Schönen und des Erhabenen also noch auf die eigentliche Kunstproduktion selbst beziehen möchte, ermöglicht die hoch entwickelte Technik der visuellen Reproduktion und Manipulierung zumindest die Erfahrung des Schönen und Erhabenen technisch zu reproduzieren. Wie bei Walter Benjamin die Reproduktionen der Kunstwerke das Museum verlassen und zu den Menschen gelangen, so verlassen nun die Momente des Naturschönen und Erhabenen ihren „ursprünglichen" Ort und kommen zu den Menschen ins Museum. Insofern handelt es sich auch um eine Aufhebung des Naturschönen, das nur noch als leere Illusion in Tourismuskatalogen existiert, weil die scheinbar „natürlichen" Orte, spätestens mit dem ersten Besucher und dem ersten Abbildung immer schon touristisch erschlossen sind. Die begehrten Orte der Erfahrung des Schönen und Erhabenen findet man jetzt im Museum. Sie sind erreichbar und unerreichbar, anwesend und abwesend zugleich. Die Vokabeln des Schönen und Erhabenen beziehen sich nun weder auf das Naturschöne selbst, noch auf dessen Abbildung, sondern auf die technischen Möglichkeiten der Reproduktion und Bildmanipulierung und den Ort ihrer Repräsentation. |
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Panorama-Technologie: ZKM | Institut für Bildmedien, Karlsruhe Der PanoramaScreen basiert auf Jeffrey Shaw’s interactive panoramic cinema research. Die Panorama Display Software wurde erdacht und entwickelt von Bernd Lintermann am ZKM | Institut für Bildmedien weiter zum technischen Rider |
Installation des Panoramascreens |
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video, 13:30min |
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